Problemzone HC-Punk

Out of Step - Cover2012 erschien das Buch “Out of Step. Hardcore-Punk zwischen Rollback und neonazistischer Adaption” als Beitrag zur >Grauzonen< – Debatte, um eine Auseinandersetzung über Themen und Inhalte der HC-Punk-Szene anzuschieben.

Eine der Kernthese des Buches ist, dass es durch die langjährige Ausdifferenzierung der HC-Punk-Szene in der Breite zu einer Entpolitisierung kam. Diese Entpolitisierung ermöglichte das Einsetzen eines reaktionären Rollbacks, der stellenweise bis weit in die extrem rechte Szene führt. Gerade innerhalb der RechtsRock-Szene hat Hardcore in den letzten Jahren immer mehr an Popularität gewonnen. Neben der Musik spielt vor allem auch der von der HC-Punk-Szene adaptierte Lifestyle von Coolness und Härte eine wichtige Rolle.
Neonazistische NS-HC-Bands versuchen Themen der HC-Punk-Szene zu besetzen und nutzen dabei ideologische Anknüpfungspunkte: Männlichkeitswahn, Fetischisierung von Gewalt und Homophobie. Metaphern und subtile Botschaften sind an die Stelle von unverhohlener NS-Propaganda und Symbolik getreten und dominieren die aktuelle White-Power-HC-Szene, deren Auftreten sich kaum noch von dem der HC-Punk-Bands unterscheiden lässt.

Zwar setzten sich in der Vergangenheit Kampagnen wie >NS-Hardcore ausschalten< mit der Gefahr der Vereinnahmung und Unterwanderung durch die extreme Rechte auseinander, allerdings lag dabei der Schwerpunkt auf den Blick auf die neonazistischen Hardcore-Bands der RechtsRock-Szene. Die kritische Reflektion von “normalen” HC-Punk-Bands und ihrer transportierten Ideologie als Anknüpfungspunkte für die extreme Rechte kam dabei häufig zu kurz. Wie notwendig eine intensive Auseinandersetzung mit dem Thema und die Fähigkeit zur Selbstkritik jedoch ist, sollen zwei Zitate aus der jüngeren Vergangenheit verdeutlichen. “Hardcore war, ist und bleibt nazifrei!”, lautet das pauschale Resümee eines Flugblattes der Kampagne >Kein Bock auf Nazis<. Einen noch größeren >Persilschein< stellt Marc Nickel (M.A.D. – Booking) der genreprägenden New Yorker HC-Punk-Szene aus. “New York City war immer anti-rassistisch, anti-faschsitisch, anti-sexistisch, anti-System, anti-Amerika, oder anti-anti und das durch und durch”, beurteilt er den politischen Backround der New Yorker HC-Punk-Szene. Und dies, obwohl aus deren Reihen u.a. die Naziband Youth Defense League hervorgegangen ist, die in den späten 1980er Jahren integrer Bestandteil der HC-Punk-Szene war und heute von der RechtsRock-Szene als >Blaupause< für neonazistischen Hardcore angesehen und entsprechend vermarktet wird.

Dabei stellt YDL nur die Spitze eines >rechten Randes< der HC-Punk-Szene dar. Durch die zunehmende Kommerzialisierung und Vermarktung der Musik als Mainstream-Produkt hat sich ein beträchtlicher Teil der HC-Punk-Szene inzwischen weitgehend entpolisiert und ist überwiegend tatsächlich nur noch an der Musik als bloße >Unterhaltungsform< interessiert ist. Tauchen dann anti-emanzipatorische Botschaften und Inhalte auf, so werden diese immer weniger reflextiert bzw. kaum noch als solche erkannt. Dabei spielt gerade die Aufarbeitung der Geschichte der HC-Punk-Szene und die Auseinandersetzung mit ihren Themen und Inhalten im Kampf gegen den reaktionären Rollback und den Einfluss der extremen Rechten eine zentrale Rolle, da sich nur durch eine intensive Auseinandersetzung mit Themen, Inhalten und der geschichtlichen Entwicklung klare Kriterien und Strategien gegen den Rollback entwickeln lassen. Nur durch eine permanente Auseinandersetzung mit Ideologien und Strategien rechter Strömungen, durch die Vernetzung der Informationen und durch die Einhaltung von Grundsätzen im Umgang mit ehemaligen Neonazis oder vermeintlichen Aussteigern aus der Neonazi-Szene lässt sich der Einfluss der Anhänger_innen der extremen Rechten abwehren und zurückdrängen.

Die Homepage will anti-emanzipatorische Inhalte innerhalb der HC-Punk-Szene und Anknüpfungspunkte an die extreme Rechte veranschaulichen und dokumentieren, um damit die HC-Punk-Szene für diese Problematik zu sensibilisieren und notwendige Debatten zu unterstützen. Denn um sexistische, homophobe, sozialdarwinistische und menschenverachtende Botschaften innerhalb der HC-Punk-Szene zurückzudrängen reicht es allein nicht aus, plakative Logos >gegen Nazis< zu entwerfen oder Hardcore auf Flyern für >nazifrei< zu erklären. Es gilt soziale Räume zu verteidigen, Diskriminierungen und Männlichkeitswahn zu stoppen!